Eroberung von Jerusalem (587/586 v. Chr.)

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Ungefähre Ausdehnung des Neubabylonischen Reiches (rot) im 6. Jahrhundert v. Chr.

Die Eroberung von Jerusalem durch das Heer des neubabylonischen Königs Nabū-kudurrī-uṣur II. (Regierungszeit 604–562 v. Chr.) entmachtete die Davids-Dynastie in Jerusalem und beendete die Existenz des Südreichs Juda, das zuletzt ein babylonischer Vasallenstaat gewesen war. Der Salomonische (Erste) Tempel wurde zerstört, die Jerusalemer Oberschicht teilweise deportiert. Als Jahr der Eroberung wird in der englischsprachigen Forschung 586 v. Chr. bevorzugt, während in der deutschsprachigen Literatur meist das Jahr 587 v. Chr. genannt wird.[1]

Im Jahr 605 v. Chr. besiegte Nebukadnezar bei der Schlacht bei Karkemiš noch als Kronprinz Ägypten.[2] Babylon beanspruchte damit auch die Oberherrschaft über das Königreich Juda, das jüdische Südreich. Dort belagerte er Daniel 1,1 EU zufolge Jerusalem im dritten Jahr des dortigen Königs Jojakim. Dieser leistete daraufhin zunächst drei Jahre lang Tributzahlungen (2 Kön 24,1 EU). Im Jahr 601 unterlag Nebukadnezar allerdings einem ägyptischen Heer, woraufhin Juda die Zahlungen einstellte. Als Reaktion darauf wurde von Nebukadnezar Jerusalem im Jahr 597 v. Chr. erobert.

Nebukadnezar ließ Jojakims zweiten Nachfolger Zedekia einen Treueeid schwören (2 Chr 36,13 EU und Ez 17,13 EU). Zedekia brach in seinem neunten Regierungsjahr (589 bis 588 v. Chr.) das Versprechen, da er vermutlich Anstrengungen unternommen hatte, eine antibabylonische Koalition zu schmieden (Jer 39,5 EU und 2 Kön 25,6 EU).

Jeremia beklagt die Zerstörung Jerusalems (Rembrandt van Rijn, 1630)
Jeremia betrauert die Zerstörung Jerusalems (Ilja Repin, 1870)

Der babylonische Herrscher sandte sein Heer und belagerte Jerusalem ab dem 16. Januar 589 v. Chr. (10. Tebetu; 2 Kön 25,1 EU; Hes 24,1 EU). Unterbrochen wurde die Belagerung 588 v. Chr. durch das Eingreifen des Pharaos Apries (26. Dynastie), der mit seinem Heer militärische Hilfe zugunsten Judas leistete. Nebukadnezar II. zog zunächst seine Truppen ab und Apries kehrte nach Ägypten zurück. Das ermöglichte den Babyloniern eine erneute Belagerung Jerusalems.

Das babylonische Heer konnte schließlich am 29. Juli 587 v. Chr. (9. Du'uzu) unter Führung des babylonischen Feldherrn Nergal-šarra-uṣur die Stadt Jerusalem erobern und im Laufe des Augusts zerstören. Zedekia floh in das Jordantal, wurde dort aber eingeholt und von seinen Gefolgsleuten verlassen. Er wurde gefangen genommen und zu Nebukadnezar gebracht (Jer 39 EU). Dieser ließ Zedekias Söhne vor dessen Augen erschlagen, ihn selbst anschließend blenden und in Ketten nach Babylon führen.[2]

Ein hoher Beamter Nebukadnezars war Nabu-šarra-iddina. Die Bibel nennt ihn Nebusaradan und bezeichnet ihn als Kommandant der Leibwache. Dieser nahm Jer 52,12 EU zufolge am 10. Tag des 5. Monats im 19. Jahr des Königs Nebukadnezar Jerusalem ein. 2 Kön 25,8 EU zufolge war dies bereits am 7. Tag geschehen (der 7. Abu im Babylonischen Kalender entspricht hier dem 26. August 587).

Nach der Plünderung ließ Nebusaradan den Tempel und alle größeren Gebäude Jerusalems in Brand setzen. Dabei ging vermutlich die Bundeslade verloren.[3] Der Rest der judäischen Oberschicht und ein Teil des Volkes wurden in die Gefangenschaft geführt (siehe Babylonisches Exil). Zurück blieb nur ein Teil „von den armen Leuten, die nichts hatten“. Ihnen übertrug Nebusaradan den Besitz von Weinbergen und Äckern (Jer 39,10 EU). Damit endete das Reich Juda.

In Erinnerung an den Beginn der Belagerung Jerusalems begehen Juden den Assara beTevet, den 10. Tag im Monat Tevet, als „kleinen“ Fastentag.[4]

  • Shelley L. Birdsong: The Last King(s) of Judah: Zedekiah and Sedekias in the Hebrew and Old Greek versions of Jeremiah 37(44):1-40(47):6 (= Forschungen zum Alten Testament/2, Band 89). Mohr Siebeck, Tübingen 2017.
  • Ernst Axel Knauf, Hermann Michael Niemann: Geschichte Israels und Judas im Altertum. De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
  • Oded Lipschits: The Fall and Rise of Jerusalem: Judah under Babylonian Rule. Eisenbrauns, Winona Lake 2005.
  • David Steven Vanderhooft: The Neo-Babylonian Empire and Babylon in the Latter Prophets (= Harvard Semitic Monographs, Band 59). Scholars Press, Atlanta 1999.
  • Rainer Albertz: Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels 587 v. Chr. Historische Einordnung und religionspolitische Bedeutung. In: Johannes Hahn (Hrsg.): Zerstörungen des Jerusalemer Tempels. Geschehen – Wahrnehmung – Bewältigung (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Band 147). Mohr Siebeck, Tübingen 2002, S. 23–39.
  • Elias Auerbach: Wann eroberte Nebukadnezar Jerusalem? In: Vetus Testamentum 11/2 (1961), S. 128–136.
  • Erasmus Gaß: Nebukadnezzar ante portas: Zu den babylonischen Interessen in der südlichen Levante. In: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft, Band 129 (2016), S. 247–266.
  • Ernst Kutsch: Das Jahr der Katastrophe: 587 v. Chr. Kritische Erwägungen zu neueren chronologischen Versuchen. In: Biblica 55/4 (1974), S. 520–545.

Einzelnachweise

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  1. Ernst Axel Knauf, Hermann Michael Niemann: Geschichte Israels und Judas im Altertum, Berlin/Boston 2021, S. 300.
  2. a b Martin Pfaffenzeller: Bei der Macht von Babylon, in P.M. History #2/2021, Gruner + Jahr, Hamburg 2021, S. 50–57, ISSN 2510-0661.
  3. Die Lade auf dem Weg durch die Jahrhunderte – Wirkungsgeschichte in den biblischen Schriften bis ins Christentum. (PDF; 191 kB) www.weltundumweltderbibel.de, 2021, abgerufen am 9. August 2022.
  4. Asarah be-Tevet. In: Geoffrey Wigoder (Hrsg.): Everyman’s Judaica. An encyclopedic dictionary. Keter, Jerusalem 1975, ISBN 0-7065-1412-2, S. 43 (englisch).